skip to content

"Medaillen, Ruhm und Ehre"

 

 

 

Überraschende Einsichten, interessante Hintergründe - und was zum Schmunzeln!

Exklusiv-Interview mit Mieke Kröger

Mieke, du hast ein Jahr voller großartiger Erfolge hinter dir. Herausragend war sicherlich der Gewinn der Goldmedaille. Welche Eindrücke sind dir aus den Tagen in Tokio noch präsent?

Am präsentesten sind wohl noch die Bilder von den Rennen. Vor allen das Finale und der Moment in dem ich nach meiner Führung rausgehe und sehe, dass wir das Ding nur noch sicher nach Hause bringen müssen. Auch erinnere ich mich an einen Moment nach der Quali in der ich zwischen Euphorie und leichter Panik hin und her schwankte. Euphorie weil mir klar wurde, welche Rolle wir hier gerade eingenommen hatten, nämlich die der Favoriten und Panik, weil mir diese Favoritenrolle Panik bereitete und ich einen gewissen Druck verspürte...also noch mehr Druck als ohnehin schon.

Hat sich dein Leben als Radsportlerin und als Mieke Kröger durch diesen Erfolg geändert?

Mieke Kröger hat sich nicht viel verändert. Ich hab vielleicht etwas mehr Selbstvertrauen erlangt, sie reitet jetzt auf einem Einhorn in Highheels. Als Radsportlerin bin ich gelassener geworden. Die letzten Monate der Saison ließen sich gut ertragen von meinem hübschen Einhorn aus, das auf einer Wolke nun von Event zu Event schwebt.

Die weiteren Titel und Topplatzierungen wären jeder für sich schon sehr außergewöhnliche Resultate. Wie würdest du den Stellenwert dieser Erfolge für dich einordnen?

Es ist schwer, darauf eine gute Antwort zu finden. Wir waren ja in einer Art Rauschzustand, während der Wettkämpfe nach Olympia. Für mich hat es sich zumindest ein wenig so angefühlt. Ich habe vorhin erst meine Medaillen der EM und der WMs aufgehängt und das Weltmeisterinnen Trikot daneben mit dem Wissen, dass noch eins davon im Schrank liegt. Dann stand ich eine Zeit - lang davor und betrachtete mein Werk. Das war schön und ein kleiner Schritt zur weiteren
Einordnung.

Hast du eine Erklärung dafür, dass es für dich ausgerechnet in diesem Jahr so gut lief?

Meine These: Die Umstellung des Vierers auf diese, auf den ersten Blick vielleicht waghalsig erscheinende Strategie, mich kurz nach der Hälfte des Rennens eine einzige lange Führung fahren zu lassen und dann rauszugehen. Das hat mich persönlich stärker gemacht. Ich wusste, das kann ich, da gibt es keine Unsicherheiten. Bisher war ich nämlich immer ein gewisser Unsicherheitsfaktor, da
mir die Belastungswechsel nicht sonderlich gut liegen. Ich glaube, wir haben mit dieser Stategieumstellung das Beste aus jeder einzelnen von uns rausholen können und es gab am Ende wenig Möglichkeiten eines Errors. Naja und dann steigerten wir uns so in den Wettkampf rein, dass er am Ende perfekt für uns lief. Nach dieser Erfahrung saßen wir also nun auf unserem Einhorn im Himmel und waren irgendwie
unzerstörbar. Dann haben unsere Einhörner, nach der WM im Mixed, Highheels bekommen. Die waren die ganze Zeit schon so scharf auf diese hohen Hacken.
Und auch in Highheels waren wir nicht unterzukriegen und so sicher in dem was wir taten, dass es weiterhin gut lief.

Es scheint so, als könntest du Leistung besonders gut in Mannschaftsdisziplinen abliefern. Ist das so und könntest du sagen, woran das liegt?

Ja, das habe ich mittlerweile auch rausgefunden ;). Ich weiß aber nicht genau woran das liegt...an einer gewissen Harmoniesucht vielleicht. Oder daran, dass es mir Spaß macht im Team zu arbeiten, wenn alle motiviert sind.
 

Im Rennen um die WM im Mixed Timetrial hatten andere Teams z.B. aus den Niederlanden oder Italien bei den Männern ebenfalls die erste Garde aufgestellt. Das war in den Vorjahren nicht immer so. Wird dieser Wettkampf nun wichtiger genommen?

Ich denke, wie bei so vielen Dingen, wird Neues erst mal mit Distanz beobachtet und mit gewisser Vorsicht behandelt. So verhielt es sich irgendwie auch während der ersten zwei Jahre, seitdem es diese Disziplin gibt. So langsam wird das Mixed wohl interessanter und ich finde es ist eine super Disziplin für die Repräsentation des Frauenradsports ☺. Es werden immer mehr und bessere Mannschaften an den Start gestellt, keine Ahnung woran das liegt...vielleicht auch am Preisgeld. Ich finds jedenfalls gut ☺.


Hast du insgesamt den Eindruck, dass der Frauenradsport auch durch eure herausragenden Resultate in jüngster Zeit einen höheren Stellenwert und mehr Aufmerksamkeit im Vergleich zu den Männern erfahren hat?

Hmmm...das wurde mir vor kurzem schon mal gesagt. Es kann schon sein, ja. Wenn ich ganz tief in meiner Erinnerung krame, stelle ich schon fest, dass es einen riesigen Sprung nach vorne gab, für den Frauenradsport. Ob das mit unseren Erfolgen zu tun hat? Irgendwie mit Sicherheit. Vielleicht füttern sich der Radfahrboom und unsere Erfolge gegenseitig und werden zu einem fetten Monster.

Du bist auch Paris – Roubaix mitgefahren. Ein Mythos und ein Monument. Welche Eindrücke hast du mitgenommen?

Ich fand’s mega und mega dumm. Gerade unter diesjährigen Wetterbedingungen bot sich ein Bild der feinsten Schlammschlachten der Menschheitsgeschichte. Im Schlamm fährt es sich angespannter als ohnehin schon auf dem Pflaster. Man kann essen so viel mal will, am Ende fühlt man sich wie ein plattgeklopftes Schnitzel in Schlammpanade. Ich empfehle jedem und jeder, einmal Paris-Roubaix zu fahren, dann hat sich das Problem mit dem übermäßigen Fleischkonsum.

Man könnte vermuten, dass nach diesen Megaerfolgen die Teams des internationalen Frauenradsports nun bei dir Schlange stehen. Kannst du zuversichtlich in deine nächste Saison als Profiradsportlerin schauen?

Also Schlange gestanden haben die jetzt nicht...aber ich habe ein gutes Team für nächstes Jahr gefunden, das mir mehr zahlt als es einem Schnitzes zahlt. Das finde ich toll ☺. Ich bin erwarte kommende Saison in freudiger Erwartung.
 

Die Saison war ohnehin schon sehr lang. Kannst du dir nun endlich mal ein paar Wochen Pause gönnen oder wirst du im Winter weiterhin an Bahnwettkämpfen teilnehmen?

JA, PAUSE!

Zum Abschluss eine für uns als RV Teutoburg etwas heikle Frage: Es gibt Gerüchte, dass dir bei deinem Heimrennen, dem „Großen Preis der Sparkasse Bielefeld“ 10€ Startgeld abgenommen wurden. Ist das richtig?

Also ja und nein. Ich hatte meine Managerin zur Nummernausgabe geschickt, da ich mich in Ruhe auf den Wettkampf vorbereiten wollte und mich den Medien und Paparazzi so spät wie möglich aussetzen wollte. Meine Managerin war zu dem Zeitpunkt noch neu im Job, man kannte sie an der Nummernausgabe nicht und verlangte vorschriftsmäßig 10 € von ihr, die sie brav aus eigener Kasse bezahlte. Kleine Fehler kann man ja verzeihen. Den Rest des Tages hat sie allerdings einen außerordentlich guten Job gemacht und mich gut vermarktet. Sie hatte alles in ihrer hippen Bumbag dabei. Edding, Autogrammkarten, Digicam, Lutschbonbons, Boxhandschuhe, Sturmhaube, Fahnenmast, Hundeleckerli und Pfefferspray.*

*Das hat sie vom Känguru gelernt.


Vielen Dank für deine Antworten.

 

 

Im Olymp angekommen

Miekes Goldmedaille – eine Würdigung

Unter all den Erfolgen und Titeln, die Mieke sich als Rennfahrerin erworben hat, sticht die Goldmedaille zweifellos heraus und krönt ihre bisherige Karriere.

Auch in diesen Tagen betonen Olympioniken und Olympionikinnen immer wieder, wie lang, hart und entbehrungsreich der Weg zum Erfolg gewesen ist. Das trifft für Mieke auch zu – meiner Ansicht nach sogar in besonderer Weise. So wie ich sie als Sportlerin und als Persönlichkeit kennen gelernt und erlebt habe, ist ihr weder eine so erfolgreiche Karriere als Radsportlerin, und erst recht nicht eine olympische Goldmedaille in die Wiege gelegt. Es gibt aber einige Gründe für ihren Sieg ausgerechnet in dieser Disziplin und unter diesen Umständen. Die sehe ich einerseits in ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten als Radsportlerin, wie auch in herausragenden Merkmalen als Persönlichkeit.

Mieke ist als Radsportlerin aufgrund ihrer Physis eine Ausnahmeerscheinung. Im internationalen Frauenradsport ist kaum jemand größer und kräftiger als sie. Unter bestimmten Rennbedingungen fährt Mieke in der absoluten Weltspitze mit. Flache Kurse und Einzelzeitfahren kann sie dominieren. Sie besitzt die Fähigkeiten, sich eigentlich über die eigenen Grenzen hinaus auszubelasten.

Das ist die sportliche Basis ihrer Erfolge.

Profiradsport besteht aber nicht nur aus flachen Kursen und Einzelzeitfahren. Solche Bedingungen sind eher die Ausnahme. Rennalltag sind Straßenrennen auf hügeligem, oft auch auf bergigem Terrain. Hier muss Mieke mehr leiden als fast alle anderen Fahrerinnen, ohne dass große Aussichten auf Erfolge bestehen. Das ist Physik und bedeutet für Mieke immer wieder auch längere Zeiten mit ausbleibenden Ergebnissen. Man kann sich vorstellen, wie schwer es ist, sich unter diesen Umständen immer wieder zu motivieren. Mehr noch: als Profi stellt sich dauernd die Frage nach dem Fortgang der eigenen Kariere und der beruflichen Existenz.

Ich erlebe Mieke als sehr reflektierte Persönlichkeit, die sich dieser Umstände sehr bewusst ist. Sie ist sich im Klaren darüber, dass es einerseits ein Privileg bedeutet, die Leidenschaft Radsport zum Beruf machen zu können. Ebenso präsent sind aber Zweifel, ob die Fähigkeiten ausreichen, um die eigene Zukunft im Profi-Frauenradsport zu sehen. Es ist sicher leichter, Antworten zu finden, wenn man weiß, dass alle anderen es genauso schwer haben. Nein, Mieke hat es im Profirennalltag schwerer!

Wie jede Radsportlerin kann Mieke ihre Ellenbogen gegen die Konkurrenz ausfahren. Ohne diese Fähigkeiten wird man nicht deutsche Meisterin oder Siegerin der Belgien-Rundfahrt. Aber Mieke braucht nicht dieses „ich will besser sein als alle anderen“ um absolute Höchstleistungen abzuliefern. Ich kenne sie als eine Frau mit außergewöhnlich hoher Empathie, großer sozialer Intelligenz und einem starken Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Fairness. Sie übernimmt gerne wichtige Aufgaben für ein Team. Sie kann ihre Fähigkeit zur totalen Ausbelastung vielleicht sogar besser abrufen, wenn es nicht nur um sie, sondern um eine Gruppe geht. Das mag ihr manchmal im Wege sein, wenn es um Erfolge und Siege in den typischen Radrennen geht. Wie naheliegend wäre es mit ihrer Physis, kleinere und leichtere Konkurrentin beiseite zu schieben. Aber das ist nicht ihr Ding.

Kann man den Sieg in Tokio so ein bisschen besser einordnen?

Wenn je Aussicht auf eine olympische Medaille bestanden hat, dann wohl in dieser Disziplin: Mieke als zentrales Mitglied des Bahnvierers im Ringen um Erfolg nicht nur für sie selbst, sondern für ihr Team, ihre Trainer, Betreuer, Unterstützer und am Ende vielleicht auch für ihr Heimatland. Das sind für Mieke die Voraussetzungen für eine absolute Ausnahmeleistung: Nach einer perfekten Startphase nimmt der Vierer Fahrt auf. Mieke ist zunächst im letzter Position. Nach 2000m geht sie in Führung und hält vier Runden über 60 km/h. Jetzt geht sie an ihre Grenzen und darüber hinaus. Der Vorsprung zu den Britinnen wird größer, den drei Teampartnerinnen im Windschatten kommen nun ihre 183 cm zugute. Sie müssen einige Watt weniger investieren. Hier wird der Grundstock für das Finale auf den letzten 1000m gelegt. Mieke geht aus der Führung (übrigens die einzigen Meter bergauf). Die Britinnen wissen, dass sie geschlagen sind. Das deutsche Team dreht noch einmal auf und vollendet in Weltrekordzeit.

Der Weg dahin war jedoch keineswegs vorgezeichnet sondern oft mit Widrigkeiten gepflastert. Mieke hat es geschafft und ist damit nicht nur eine absolute Ausnahmeathletin, sondern stellt damit ihre außergewöhnliche starke Persönlichkeit unter Beweis. Anerkennung, Respekt, Wertschätzung – nein, das verdient Bewunderung!

Olympia Ticker......G O L D ! ! ......

Mieke hat den Traum einer Sportlerkarriere erreicht: einen Olympiasieg!!!
Wir sind alle unglaublich stolz auf dich und freuen uns sehr mit dir!

Und eine neue Weltrekordzeit gab es noch als Topping obendrauf....unglaublich, diese Frauenpower!!! Glückwunsch an das gesamte Bahnteam!

Up
K